Blaubeersommer in Schweden

Es gibt Dinge, die gehören zum schwedischen Sommer dazu. Ein Sprung von der Klippe in die salzige See zum Beispiel, oder ein Eis am Stiel mit Lakritzgeschmack.  Ein Tag auf dem Meer, wenn einem das Segel laut um die Ohren flattert und man in kurzen Hosen fröstelt. Der enttäuschte Blick aus dem Fenster nach drei Tagen Regenwetter. Und das Blaubeeren sammeln.

Eine Unternehmung so harmlos, dass selbst die kleinsten Kinder ihr nachgehen.  Ein Sommerritual das an den seltenen Bürotagen im Juli und August in den Pausen zum Hauptgesprächsthema wird. Eine Kollegin fährt mit ihrem Mann nach Värmland und Dalarna und bringt eimerweise Blaubeeren zurück nach Göteborg um diese dann von August bis Juli in ihr Müsli zu rühren. Acht Liter braucht es für ein Jahr. Andere Kollegen schwören auf ihre Marmeladen, Säfte und Blaubeerweine und natürlich auf ihre jeweilige Erntetechnik für den besten Ertrag.

Bei der Erntetechnik macht Übung den Meister

Sehr beliebt ist der Blaubeerkamm, mit dessen Zähnen man zügig durch das Reisig fährt, dabei die Beeren von den Ästchen rupft und gleichzeitig in einer Blechkammer auffängt. Dazu gehört allerdings etwas Übung, weswegen mir das Pflücken mit den Fingern doch am Besten gefällt. Für mich gehört es dazu die kühle, glatte Haut der Beeren zu betasten, zu prüfen ob sie wirklich reif sind.
Dann lassen sie sich leicht zupfen, andernfalls gebe ich ihnen noch etwas Zeit. Blaubeeren pflückt man am besten von unten, hangaufwärts. So sieht man die Beeren, die sich an die Unterseiten der kleinen Zweige schmiegen, am besten.

Auf der Suche nach dem blauen Teppich im Wald

Nahezu alle meine Blaubeerwanderungen haben sich nördlich von Göteborg abgespielt im Wald rund um Ljungskile. In der Morgensonne bin ich die Hänge hochgestapft, beladen mit allerlei Utensilien. Gut gerüstet und in der Erwartung jetzt gleich auf den blauen Teppich zu stoßen von dem die Mutter meines schwedischen Freundes in jenen Sommern immer wieder schwärmte. Ob es den in guten Beerenjahren tatsächlich gibt oder ob er eine nostalgische Übertreibung ist, weiß ich bis heute nicht. Aber der Gedanke trieb mich an und ließ mich mit gebücktem Rücken von Plateau zu Plateau huschen.

Widrige Umstände, glückliche Zufälle und endlich Ernteglück

Manchmal war die Ausbeute so gering, dass ich mich bei der Rückkehr fast schämte, obwohl ich kaum genascht hatte. Dann tröstete ich mich mit dem Gedanken an den feinen Spaziergang und drapierte meine wenigen, blaumatten Kügelchen ganz sorgfältig auf Vanilleeis. Ein anderes Mal trieb mich die Langeweile dem Regenwetter zum Trotz in den Wald. Da gab es plötzlich so viele Blaubeeren, dass ich sammelte bis mir der Regen in den Kragen hinein und den Rücken hinunter rann und die Nässe des Gestrüpps die Pulloverärmel hinaufkroch bis zu den Ellenbogen.

Solche Geschichten kann jeder Schwede erzählen und wie bei guten Fischern sind es stets die größten oder die meisten Blaubeeren gewesen. Es sind die widrigsten Umstände und die glücklichsten Zufälle die den schwedischen Sommer erst vervollständigen und gelingen lassen. Die Legenden, die sich um ihn ranken gehören genauso dazu wie die Blaubeeren selbst.

Lasst euch inspirieren und ermutigen zum Beeren sammeln und naschen. Sollte euch eine reiche Blaubeerernte gelingen, dann probiert auch unbedingt Sylvias wundervolles Rezept für Blaubeermuffins!

 

Text: Line Grube, 2021
Illustration: Line Grube „Blaubeerpanorama“, Buntstift auf farbigem Papier, 2020

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