Flip Flops & Shorts ab 15 Grad
Nach den langen, nassen Wintern mit wenig Sonnenlicht wird der Sommer in Irland und Schweden jedes Jahr sehnlich erwartet. Meist setzen sich höhere Temperaturen im Mai durch, der oft sommerlicher ist als Juni, Juli und August. Selten klettern sie über die 20-Grad Marke und eine mehrtägige Phase ohne Regen und über 15 Grad gilt durchaus als Sommer. Zumal die Sonne – wenn sie scheint – sehr intensiv ist. So wie alles um diese Zeit in Irland und Schweden. Die Menschen sind im wahrsten Sinne des Wortes permanent aus dem Häuschen. Ihren Gesichtern ist die gute Laune und Freude über das Wetter anzusehen (bevor sie bei den Iren in Stöhnen über die Wärme umschlägt). Einheimische unterscheiden sich mit ihren Flip Flops und Shorts, die sie fortan ausschließlich tragen, eindeutig von Urlaubern und Zugereisten in Daunenjacken und Wollmütze. Wenn Sommer ist, zeigt man das in Irland und Schweden. Man darf halt nicht zimperlich sein. Wahrscheinlich härtet das Baden im Meer ab. Denn auch die Küsten sind bei diesem Wetter nun voll. Oder zumindest was an den weitläufigen Sandstränden Irlands und an schwedischen Klippen als „voll“ gilt.
Barista Boom
Wie wahrscheinlich vielerorts haben die Baristas und Artisan Cafés auch um Irland keinen Bogen gemacht. Vor allem an beliebten Orten am Meer, wie in meiner Wahlheimat Greystones im schönen Garden County Wicklow, sprießen immer wieder Coffee Shops aus dem Boden. Und das ungefähr seit dem Celtic Tiger – dem Wirtschaftsboom Ende der 1990er Jahre – als die Café-Welle zunächst in die Großstädte der Insel schwappte.
Die Ursprünge der irischen Café Kultur
Bis dato war Irland eine Tee-Trinker-Nation und es gab fast ausschließlich “public houses” (Pubs). Wenn man hier einen Kaffee bestellte, war man sich der schrägen Blicke bewusst. Anstelle des Zischens eines modernen Kaffeevollautomaten, war ein Kratzgeräusch zu hören, wenn der Barmann den zu einem Klumpen verhärteten Instantkaffee aus dem Glas meißelte, das dann direkt wieder unter der Theke verschwand.
O’Briens war die einzige Sandwich Café Kette, die bereits in den späten 80ern existierte. Doch auch hier gab es kein breites Getränke-Sortiment oder eine riesige Kuchenauswahl. Stattdessen waren der traditionelle (schwarze) Tee und einfache Käse-Schinken-Sandwiches (Cheddar & Ham) an der Tagesordnung.
Avocadotoast & Coffee-to-go
Es sollte noch beinahe ein Vierteljahrhundert dauern bis das überteuerte Avocado-Toast die inzwischen etablierte, irische Cafélandschaft eroberte. Dazu reihen sich unzählige Sauerteigvariationen, Muffins und anderes Gebäck in der Auslage aneinander. Die Konkurrenz ist groß und dennoch entstehen neben gemütlichen “sit-in” Cafés obendrein “drive thrus” oder Café-Wagen für den schnellen Boost im Vorbeigehen. Ganz so schnell geht es allerdings doch nicht, denn schließlich muss man sich zwischen Macchiato, Cappuccino, Café Latte & Co. sowie diversen Milcharten und “Flavours” entscheiden.
Verschenktes Potenzial
So breitgefächert die Kaffee- und Milchauswahl, so armselig ist mancherorts der Service in Irland. Trotz traumhafter Lage als Garant für Erfolg, schaffen es manche Cafébetreiber das Gastronomieerlebnis zu schmälern. Nicht selten bin ich ohne zu konsumieren wieder gegangen weil eine Bedienung trotz langer Warteschlange im Schleichtempo zwischen Kaffeemaschine und Kuchentheke agierte, während eine weitere darauf wartete abzukassieren, ohne auszuhelfen. Erst kürzlich war die Enttäuschung groß als an einem populären Ausflugsziel an einem Samstagmittag der Eisvorrat leer war. Statt einer Alternative und einer vernünftigen Entschuldigung bekam ich einen vorwurfsvollen Blick als ich anmerkte den Aufsteller mit der Eiswerbung vor der Tür einzuklappen. Die Freundlichkeit der Iren in allen Ehren, aber wie ein König fühle ich mich als Kunde hier nicht immer.
Die Menüklassiker
Wenn man ein schönes Café gefunden hat, von denen es nichtsdestotrotz genügend gibt, sind einige Gebäckstücke Standard auf dem Menü. So zum Beispiel der Lemon Drizzle, den es in abgewandelter Form schon bei meiner Oma gegeben hat. Oder ein Caramel Slice mit dicker Schokoladenschicht und (salzigem) Karamell gefüllt. Rocky Road mit Marshmallows und Rice Crispy Cakes sind bei Kindern sehr beliebt. Als minimal “gesündere” Alternativen kommen ein Flapjack oder Karottenkuchen in Betracht. Beides backe ich gern selber, um die halbwegs gesunden Zutaten nicht direkt mit einer Überdosis Zucker oder zentimeterdickem Frosting zu überlagern. Ebenso sind Scones ein guter Kompromiss zwischen süßem Brot und Kuchen. Mit traditionell bitterer Orangenmarmelade bestrichen, auch ein echter irischer Klassiker.
Die süßeste aller Haushaltshilfen
Apropos Klassiker, so gibt es in Schweden den wohl Charmantesten… Auf den ersten Blick ein unscheinbares Punschröllchen mit Marzipanmantel und in Schokolade gedippten Enden. Der Name macht das Törtchen groß, heißt es doch „dammsugare“. Zu Deutsch: Staubsauger – In Anlehnung an die zylinderförmigen Staubsauger der 60er Jahre. Der schwedische dammsugare ist traditionsgemäß hellgrün, was wohl dem damaligen Standardmodell entspricht. Nicht nur ausländische Gäste können sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn sie im Café einen dammsugare bestellen. Genauso wenig wie ihre Hinweise auf die außerordentliche Nützlichkeit des Röllchens und welches Schnäppchen sie soeben gemacht haben. So rundherum köstlich amüsant ist wohl nur der schwedische Staubsauger.
Café Ahlströms anno 1901
Mit dieser einfachen Angabe drückt sich bereits der Stolz und die Besonderheit des Göteborger Café Ahlströms aus. Hier ist nichts auf Alt gemacht, vielmehr sah es schon immer so aus. Das Interieur hat einen gewollt altmodischen Konditorcharme. Wandtäfelungen aus dunklem Holz und Pendeluhrkästen wechseln sich ab mit verspielten Jugendstiltapeten in taubenblau. Dazwischen große Fensterfronten eingefasst in ein großmaschiges Netz ganz und gar unmoderner Holzrahmen. Das dicke Glas verzerrt, lässt das Gesehene verschwimmen. Der Blick von außen ins Café geht wie durch eine Zeitlinse ins letzte Jahrhundert. An runden Tischen sitzen die Göteborger auf dem Leder geschwungener Stühle. Unter Kristallampen zwischen Grünpflanzen bewegen sie ihre Gäbelchen über das Ahlströms Porzellan mit Goldrand.
Wer bei Ahlströms einkehrt, weiß was er will: Ein Stück traditionelles Schweden. Bloß nix Neumodisches – „inga konstigheter“, sagt man und meint damit das, was man schon immer kennt. Die Traditionstreue spiegelt sich auch in den Auslagen wider. Die Brote sind typisch belegt mit Krabben, Käse und Leberwurst. Die Vorzeigetorten sind dekoriert für schwedischen Erdbeersommer und Mittsommer. Patriotischer sind die Torten für die diesjährigen Schulabgänger mit blaugelber Verzierung und Schwedenfähnchen. Bei Ahlströms weiß man, wo man is(s)t – an der schwedischen Westküste. Zwischen modernen, austauschbar-verwechselbaren Cafés ist das sehr erfrischend.
Schreibt uns in den Kommentaren welches Rezept eines irischen oder schwedischen Café-Klassikers wir für Euch ausprobieren und vorstellen dürfen. Heute gibt es einen saftigen Orangen-Karottenkuchen in unseren Rezepten.
Titelbild: Line Grube, ”Vaniljhjärta, krokantrulle, dammsugare, nöttopp och praliner.“ Aquarell und Buntstift, 2021. Inspiriert von Ahlströms Konditori in Göteborg
Illustration im Text: Sylvia Payne, „Irish Coffee“, Aquarell und Buntstift, 2024
Bild im Text: Line Grube „Café Ahlströms“, 2024
Text: Sylvia Payne (IRE) , Line Grube (SWE), 2024
Den Kommentar über den klumpigen Instantkaffee im Pub finde ich herrlich. Uns ist es kürzlich noch so ergangen, als wir in Co. Leitrim in einem Pub fragten, was für Kaffee sie hätten, und die junge Bedienung stolz erwiderte: Cappuccino! (die Instantversion mit mehr Zucker als Kaffeeanteil, ganz zu schweigen vom Milchpulver …) Bally Go Backwards ist eben nicht Greystones. 😄
Oh nein, es gibt ihn also noch, den Instant-Cappuccino im Café! War der Beitrag also ganz aktuell und aus dem irischen Leben gegriffen 😅.
Hallo,
das Leipziger Allerlei wurde noch mit einer ganz speziellen Garnitur serviert !
Hierzu wurden die Krebspanzer, aus denen der Schwanz schon entfernt und verwendet wurde, gesäubert und mit einer Farce von der Lachsforellen gefüllt und gegart. Diese wurde am Teller- oder am Rand der Terrine als Garnitur aufgesteckt.
Leipziger Allerlei tolles Gemüse !
Hallo lieber Thomas, vielen Dank für Deinen Kommentar, aber wie kommst Du denn von der Café-Kultur in Irland und Schweden auf das Leipziger Allerlei, wenn ich fragen darf 🤔?