Weißer Sandstrand, türkisblaues Wasser und eine Hängematte, die sich sanft hin und her bewegt. Ein Kaminfeuer, das leise in einem gemütlichen Cottage vor sich hin knistert. Das kleine schattige Plätzchen auf der belebten Piazza, wo der Kaffee am besten schmeckt. Ein Sehnsuchtsort kann für jeden unterschiedlich sein und doch haben sie alle eines gemein. Das wohlige Gefühl, das einen überkommt, wenn man sich an seinem persönlichen Sehnsuchtsort befindet.
Tagträumen statt Mindfulness
Mir reicht es oft schon, an meinen Sehnsuchtsort zu denken, um mich besser zu fühlen oder wenn ich Inspiration suche. Ich bin eine klassische Tagträumerin. Einfach raus aus dem Alltag und rein in die Fantasiewelt. Beim Wäsche legen, während ich den Abwasch erledige oder das Essen zubereite. Es ist ein Leichtes für mich mal eben „abzutauchen“, entgegen allen Mindfulness-Empfehlungen den Moment möglichst bewusst zu erleben.
Dabei lege ich mich gar nicht fest, wo und was mein Sehnsuchtsort eigentlich genau ist. Ich neige zur Selbstunterschätzung und so halte ich es auch mit meinen Tagträumen. Bloß nicht zu ausgefallen und überzogen. Daher fehlt im Grunde gar nicht viel mir unseren Bungalow mit Meerblick als romantisches Cottage an der Irischen See vorzustellen. Oder mich beim Schreiben dieses Blogartikels als berühmte Autorin. Es lebe die Vorstellungskraft!
Futter für die Fantasie
Nicht zuletzt helfen mir dabei Geschichten, die wiederum meine eigene Fantasie ankurbeln. Geschichten, die weder komplex noch anspruchsvoll sind, aber wahrscheinlich genau deshalb Anklang bei ihrem Publikum finden. Sie schildern Situationen, mit denen man sich meist selber identifizieren kann. Verarbeiten einen Konflikt, in dem man vielleicht auch schon einmal gesteckt hat. Am Ende gibt es eine zumeist realitätsferne, aber glückliche Lösung, die einen mit einem guten Gefühl zurücklässt.
Rosamunde Pilcher & Co.
„Ich schaue das nur wegen der tollen Landschaftsaufnahmen am Anfang“, sagte meine Oma immer als ich sie beim Schauen eines Rosamunde-Pilcher-Films ertappte. Genauso handhabte ich es lange Zeit, wenn das Gespräch auf Fernsehschnulzen oder Wohlfühlromane kam. Nicht einmal vor Freunden wollte ich mich als „Sonntagabend-ZDF-Guckerin“ outen. „Die Alternative zum Krimi“ heißt es da in der Rubrik „Herzkino“, welche Rosamunde Pilcher, ihr schwedisches Pendant Inga Lindström und weitere Ableger in dieser Sparte zusammenfasst. Sich zum „Tatort“ schauen zu bekennen, der wöchentlich zeitgleich läuft, ist hingegen eher salonfähig.
Mut zur Schnulze
Inzwischen weiß ich, dass es für mich nicht immer Hochkarätiges auf der Mattscheibe sein muss. Ganz im Gegenteil. Im Alltag brauche ich etwas zum Entspannen. Nicht etwa realitätsgetreue Verfilmungen, die mein Stresslevel noch weiter in die Höhe treiben. Stattdessen möchte ich eine Stimmung oder ein Gefühl jener Sehnsuchtsorte vermittelt bekommen, egal ob es diese so gibt oder nicht.
Es ist mir nicht mehr peinlich, dass ich mich gern von Inga Lindström an die schwedischen Schären entführen lasse. Ich liebe die gelben und roten Holzhäuser, in denen dort alle wohnen, auch wenn das nur ein Klischee ist. Die Einrichtung der perfekten, englischen Landhäuser in der Welt der Rosamunde Pilcher inspiriert mich. Ich freue mich, wenn mir die irische Landschaft in den Filmen bekannt vorkommt. Ich störe mich nicht mehr an den idealisierten Charakteren, die naiv und unfehlbar für ihre hochgesteckten Ziele einstehen.
Am Ende ist es Futter für meine Fantasiewelt. Es ist der Stoff aus dem mein Sehnsuchtsort gemacht ist. Nicht selten schöpfe ich aus den Filmen Inspiration für meinen Blog und zu guter Letzt auch für meine Rezepte. So wie für diese herbstliche Pilz-Pastinaken-Suppe mit Birne, die hervorragend an ein knisterndes Kaminfeuer passt.
Text: Sylvia Payne, 2021
Illustration 1: Line Grube „Bootschuppen in Saltholmen“, gebastelt aus Karton, 2021, Fotoaufnahme in Saltholmen, Göteborg
Illustration 2: Line Grube „Schwedisches Villenviertel im Grünen“, gebastelt aus Karton, 2021, Fotoaufnahme Skansen Kronan, Göteborg